#coachesforfuture mittendrin

Da kam die Anfrage einer Fachzeitschrift, ob wir nicht über Fridays for Future schreiben wollen. Ich habe abgelehnt: Nein, “über” Fridays schreibe ich sicher nicht – aber “mit” Fridays gerne. Die Herausgeber waren begeistert. Dann gingen wir ans Werk. Fridays und Coaches beforschen sich und einander gegenseitig, und schreiben darüber.

Der gesamte Artikel ist in der Zeitschrift “Supervision” 3/2022 veröffentlicht. Hier eine Zusammenfassung:

Im August 2018 setzte sich eine 15-jährige junge Frau alleine vor den schwedischen Reichstag, statt in die Schule zu gehen. Nicht einmal ein Jahr später waren Millionen junger Menschen weltweit auf der Straße – eine riesige Jugendbewegung. Unzählige Initiativen entstanden in Folge. Aber wer sind diese Leute? Von Außen sind wir verleitet, unseren Projektionen, Wünschen und Sehnsüchten zu folgen. Was medial über “Fridays for Future” bekannt ist, ist ein verzerrtes Narrativ.

Angst und Sorge sind ihre primären Bewegungsauslöser, aber Hoffnung ermöglicht erst das Engagement und damit das gemeinsame Handeln. Dieser Aktivismus verstärkt wiederum die Hoffnung. So ist Hoffnung eine Angstmanagerin. Hinzu kommt Gemeinschaft, geteilte Normen und Werte, die das Gefühl von Wirksamkeit stärken. Bis jetzt in der Literatur wenig beachtet ist Sympathie, Mitgefühl und empatische Zuneigung, die diese Menschen in ihren Gruppen leben. Diese Zugewandtheit geht über ihren persönlichen Kontakt hinaus auf ganz Unbekannte und zukünftige Generationen. Dass diese Hoffnung angesichts der Untätigkeit der Politik schwindet, hat den Begriff environmental grief geprägt, als Klammerbegriff für ein Gesamtempfinden von Angst und Trauer bis zu Überforderung.

Von Außen sind wir verleitet, eine “Bewegung” zu sehen, die sich aber von innen als viele Bewegungen zeigen – heterogen und dynamisch. Wir identifizieren drei Thesen über ihre Verfasstheit:

  • Die Pandemie hat sie nachhaltig geschwächt: Da es nahezu unmöglich war, sich zu treffen, zerfielen viele ihrer Gruppen und konnten ihre Funktion, sich gegenseitig emotional zu halten, nicht erfüllen.
  • Ihr “Erfolg” hat sie geschwächt, weil sie nachhaltig “umarmt” wurden: Ihre Forderungen werden von Mächtigen aufgegriffen und paraphrasiert. In Gestalt-Hinsicht ist das eine Form von Widerstand. Aus systemischer Perspektive ist damit die Leitdifferenz geschlossen, die zwischen Klimabewegung und Gesellschaft klaffte.
  • Die Bewegung kommt durch ihr Wachstum in ein Dilemma zwischen Massenbwegung und Organisation. Wir können nicht davon ausgehen, zu wissen, was sie entwickeln müssen – diese Entwicklung ist völlig offen.

Was braucht diese Bewegung nun?

  • Sie muss ihre Gruppen wieder zum Laufen bringen, weil diese ihr “containment” (Wilfried Bion) wiederherstellen kann.
  • Sie wird stärker als zuvor auf ihren inneren Antrieb zum Handeln aufbauen müssen, weil die große mediale Aufmerksamkeit nicht wieder kommen wird.
  • Sie wird Prozesse brauchen, um den inneren Druck zu reduzieren, zu verlangsamen. Dafür wird sie Räume schaffen müssen – schwierig, angesichts der dramatischen Lage und der geringen Zeit.

Wir #coachesforfuture müssen uns einigen Fragen stellen, unter anderem:

  • Wie gehen wir mit ehrenamtlicher Arbeit ehrenamtlicher Menschen mit der Involvierung um? Es gibt kaum persistente Strukturen, die uns sonst üblicherweise Halt geben.
  • Wie gehen wir damit um, dass die Zukunft dieser Bewegungen auch uns im Dunklen liegen? Die üblichen “role models” aus der OE bieten keine hilfreiche Orientierung.
  • Wie gehen wir damit um, dass wir auf Grund unseres Alters und unserer Position verleitet sind, nicht-beraterische Beziehungsmuster einzugehen? Wie weit rutschen wir in die Rolle der Eltern dependenter Kinder? Wie weit rutschen wir in die Rolle der Eltern konterdepender Jugendlicher? Wie sehr sind wir selbst narzisstisch abhängig angesichts einer Generation, die etwas bewältigen will, was wir (als Generation) gerade angerichtet haben?

In Summe: Wir müssen uns stärker ins Feld wagen als wir gewohnt sind. Wir könnten die Klimakrise als Anlass nehmen, unsere Wurzeln in der teilnehmenden Sozialforschung wiederzuentdecken. Eines ist sicher: Abstinenz geht sich nicht aus.

(Den vollständigen Artikel gibt es hier: Supervision 40(3) 2022 20-27. https://doi.org/10.30820/1431-7168-2022-3-20). Die Zeitschrift Supervision ist eine ehrenamtlich selbstverwaltete Fachzeitschrift und freut sich über jedes Abonnement.

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