Wir #coachesforfuture sind mittlerweile 81 Berater/innen. Pro Woche kommen drei bis vier dazu. Und wie es wachsenden communities so geht, haben sie auch ihre Wachstumsschmerzen.
Vorausschicken muss ich: Dieser Text hier ist für die Prozessberater/innen unter uns gemeint – und das sind die meisten. Zur Fachberatung maße ich mir keine Meinung an.
Die Wachstumsschmerzen äußern sich beim Thema: Gehören wir dazu, und wenn – wobei? Was wir in unseren Profilbeschreibungen stehen haben, spricht eine recht heterogene Sprache. Sind wir “drin” oder “draußen”? Führen wir, und was? Wer ist hier das “wir”? Sehen wir uns das mal an.
Wir haben verschiedene Dimensionen, um das anzusehen:
Sind wir Teil des Feldes?
Das ist in jedem Beratungsprojekt eine zu klärende Beziehung. Ich folge in der Regel dem Ansatz aus der Theorie der offenen Systeme, die ich von Exner & Exner kenne: Wir haben das beratene System (das gesamte Kundensystem), das Beratersystem (die außenstehenden Beratenden), das Interventionssystem (wir Beratende und jene, mit denen wir gemeinsam die Veränderung bearbeiten), und alle drei zusammen sind das Beratungssystem – die Einheit von Kunde und Beratenden.
In diesem Sinne sind wir also: Drin und draußen.
Wir sind drin, weil wir mit dem Kundensystem in Interaktion gehen: Das Kundensystem macht etwas mit uns, und wir etwas mit ihm. Wir könnten unseren Job nicht tun, wenn wir uns nicht hineinwagen würden und “es mit uns machen ließen” im Sinne der Lewin’schen Aktionsforschung. Wir wären nicht authentisch und glaubwürdig, wenn wir nur schnöselig von außen draufschauen würden.
Wir sind draußen, weil wir eben gerade nicht so handeln wie das Kundensystem, und auch das müssen wir. Niemand käme zu uns, wenn es nicht zumindest Zweifel gäbe, dass mit dem Verhalten in der Organisation etwas nicht stimmt. Wenn wir also tun wie sie, wären wir Teil des Problems statt der Lösung – eine gleiche, unverwechselbare Sardine im Schwarm.
Wie halten wir das “Draußen”? Wir halten es über folgende Punkte:
- Wir sind außerhalb ihrer Hierarchie (wenn auch nicht ihrer Machtsysteme).
- Wir sind zumindest deutlich weniger an die impliziten Beziehungsgeflechte (Edgar Schein nennt diese “Kultur”) gebunden, die das Handeln der Menschen “drin” begrenzen und stabilisieren: Wir sind also freier im Tun.
- Wir tun nicht, was die Firma für ihre Existenz tut – weder managen noch produzieren noch verwalten.
- Wir lassen uns – in der Regel – bezahlen, und die dadurch entstehende Austauschbeziehung hält das Verhältnis klar.
Dass wir diese Distanz halten, ist für Außenstehende vielleicht nicht immer sofort verständlich. Für mich ist sie nur die Grundlage der Wirksamkeit als Berater. Wenn wir Teil unserer Kunden werden, können wir nicht mehr verändernd wirken als jenes Management, das uns gerufen hat.
Wer sind nun #coachesforfuture?
Und da wird es schwierig, denn wir haben in unserer Abgrenzung ein paar Löcher, die in der DNA von #coachesforfuture mit eingebaut sind. Insbesondre haben wir ein paar Abgrenzungsmöglichkeiten weggegeben, insbesondre…
- Wir handeln aus idealistischen und gesellschaftspolitischen Motiven – uns geht es ums Klima und die Zukunft. Es wäre gelogen, hier die Distanten, Unbeteiligten zu spielen.
- Wir verzichten absichtlich auf die Austauschbeziehung durch Bezahlung.
Die oben beschrieben distante Haltung ist nun eine zutiefst systemische. Es gibt auch andere, und die habe ich auch. Als Gruppendynamiker schaue ich auf unsere Gründerväter: Kurt Lewin, Raoul Schindler und Jacob Moreno hatten alle auch eine gesellschaftspolitische Agenda. “Betroffene zu Beteiligten machen”, sagte Kurt Lewin. Da geht es um Selbstermächtigung, um Selbstergreifung von Gestaltungsmacht. Was anderes tun wir hier? Natürlich sind wir Teil von dem großen Ding hier, weil wir Teil dieser Welt und ihrer Zukunft sind. Aber welcher Teil?
Vorsicht, Autorität!
Hinzu kommt: Ich sehe aus meinen Kontakten heraus eine Gefahr: Wir werden leicht als Autorität gesehen: Wir sind üblicherweise älter, wir stellen Fragen, die mobilisieren, wir verstehen etwas von Führung. Und die Bewegungen haben gerade etwas von Führungslosigkeit. Das ist eine Verführung für uns. Wenn wir ihr nachgeben, dann (finde zumindest ich) haben wir unseren Job vermasselt. Von einem solchen Verständnis als #coachesforfuture würde ich mich distanzieren wollen.
Ein Versuch einer Standortbestimmung
Ich versuche, eine Haltung für uns #coachesforfuture so aufzuzäumen:
- Die Klimabewegung ist eine Bewegung der nächsten Generation – das lässt sich am schieren Alter der AktivistInnen ablesen: Ihre Gründerin war 15, jetzt ist sie 17. Die Mehrzahl der AktivistInnen ist unter Mitte 20.
- Diese Bewegung hat in nichtmal zwei Jahren mehr erreicht als unsere ganze Generation: Sie hat den Diskurs gedreht. Sie hat das bewirkt mit anderer Identität, anderen Haltungen und einer neuen Deutungsmacht. Sie sind anders als wir, und auch anders als wir mit 17 waren.
- #coachesforfuture ist gegründet worden, um zu beraten, und das heißt: sie zu stärken in ihrem Tun – nicht um uns zu stärken durch unser Tun. Das hieße nämlich, mitzumachen.
- Wenn wir beraten wollen, dann brauchen wir ein Mindestmaß an Unterscheidung, um den Blick darauf behalten zu können: Wie tun sie? Was sehen sie? Was sehen wir? Und was können sie tun, um ihre Situation zu verbessern?
Ein Mindestmaß an Distanz
Ich drücke dieses Mindestmaß dadurch aus, indem ich den Menschen in der Bewegung sage: Leute, das ist eure Bewegung. Ihr versucht, etwas zu retten, was unsere Generation vermasselt hat. Ihr führt diese Bewegung. Wir möchten Euch dabei unterstützen, dass ihr das gut tun könnt.
Wir alle haben eine Menge an Nicht-Coach-Identitäten – ich auch. ich bin “parent for future” eines 12-jährigen Mädchens, und die Frage, ob sie in Frieden ihr Alter wird genießen können, quält mich des Nächtens. Ich habe regelmäßig den Impuls, aufzuspringen, um endlich etwas wirklich wirksames zu tun.
Aus meiner Berateridentität habe ich die Erfahrung gewonnen, dass sich-hinsetzen und wahrnehmen oft viel wirksamer ist.
Ich habe auch eine Menge Zweifel, zum Beispiel: Hinter meinem Ansatz schimmert ein Versuch der “Wiedergutmachung” durch: Ja, ich habe den Klimawandel auch Jahrzehnte nicht gesehen. 1896 zählte Svante Arrhenius Elektronen und schrieb die erste Theorie – sie war im Großen und Ganzen richtig. 1990 kam der erste Sachstandsbericht des IPCC, und der ist auch empirisch bis heute weitgehend unbestritten. Ich habe hier wirklich etwas übersehen. Und es ist nicht wiedergutzumachen. Wie gehe ich damit um? Es ist nicht einfach.
Ich kann mir vorstellen, dass dieser Ansatz nicht unbestritten ist in unserer Community. Gehen wir doch mal in den Diskurs. Wie tun wir mit der Beteiligung, der Distanz und dem Mittun?
Als Erstes würde sich unser internes Forum anbieten. Diskutieren wir unsere Standpunkte. Sie werden uns weiter bringen. Und dann macht eine/r von uns wieder einen Blog-Eintrag daraus. Und dann diskutieren wir weiter.
Kurze Gebrauchsanleitung: zuerst einloggen, dann ins Forum gehen.